NACHWEHEN (Contractions)

von Mike Bartlett


Foto: Momir Čavić

„Immer besser, immer schneller, immer mehr!“ Die Gier in unserer heutigen Arbeits- und Finanzwelt nach stets größeren Zahlen und besserem Ranking wird immer maßloser. Dabei wird der Druck auf den einzelnen Arbeitnehmer – die „Human Resource“, also den „menschlichen Rohstoff“ – immer extremer. Wer nicht mitperformt, dem geht es schnell an den Kragen! Denn in einer Zeit, in der man sich auch online ständig mit anderen vergleichen kann, muss man sich permanent beweisen,  immer up to date bleiben und rund um die Uhr alles geben – sonst wird man zermalmt!

Längst schon hat sich Angst breit gemacht in den oberen Etagen der Großunternehmen, wo Massenentlassungen an der Tagesordnung sind. Die Angst, vielleicht morgen schon ausrangiert zu werden. Wen wundert es, dass sich da die eine oder andere Moralgrenze verschiebt.

Wie weit geht man, um seinen Job zu behalten? „Viel zu weit!“ heißt die verstörende Antwort in NACHWEHEN von Mike Bartlett, einem „Szenenreigen in Variationen“, der das immer gleiche Setting eines Personalgespräches zwischen EMMA und der PERSONALMANAGERIN ihres neuen Arbeitgebers zeigt. Harmlos scheinen die ersten Interviews und Gespräche, in denen Emma in den Verhaltenscodex der Firma eingeführt wird und freundlich nach Ihrem Wohlbefinden im Arbeitsalltag befragt wird. Raffiniert und unmerklich aber manipuliert die MANAGERIN die junge EMMA in eine fatale Abhängigkeit und treibt sie zu Höchstleistungen an – und damit in die Enge. Auch die Überwachungsmethoden der Firma funktionieren bestens, und als EMMA die erste Vorschrift des Firmenreglements bricht – Keine Liebesverhältnisse unter Kollegen! – werden die Stellschrauben immer straffer angezogen…

Ganz auf der Höhe der Zeit führt Mike Bartlett in seinem „Gesellschafts-Science-Fiction“ einen spannenden Zweikampf moderner Frauen vor. Die Dialoge sind gleichermaßen witzig und erschreckend. „Kann das jemals sein?“ fragt man sich unweigerlich. Doch in einer Zeit, in der Großfirmen jungen Arbeitnehmerinnen anbieten, ihre Eizellen auf Kosten des Unternehmens einzufrieren, um ihre Arbeitskraft zu optimieren oder in Ländern wie China ab 2020 ein digitales Punktesystem eingeführt werden soll, welches durch Überwachung die „menschliche Spreu vom Weizen trennen“ soll, sind wir doch schon längst mitten drin in Mike Bartletts Dystopie NACHWEHEN

Spiel:  Felicitas Heyerick, Annette Wunsch

Regie/Bühne: Marco Luca Castelli

Musik: Hannes Barfuss

Maske/Kostüme: Annina Schmid

Technik/Licht: Dario Marty

Deutsch von Lorenz Langenegger

Aufführungsrechte beim S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main

Dauer: 80 Minuten